Wasser, immer wieder Wasser. So unterschiedlich die Landschaften und Départements in Rhône-Alpes auch sein mögen: Wasser in all seinen vielfältigen Vorkommen ist der rote Faden, der sie zusammenhält.
Das gilt auch für die Loire, in der nordwestlichsten Ecke der Region. Wie auch? Schließlich ist hier, genau wie beim Nachbarn Rhône, ein Gewässer für den Namen verantwortlich. Und was für eines. „Der Fluss der Könige“, wie die Loire wegen seiner zahllosen Adelspaläste an ihren Ufern auch genannt wird, entspringt nicht nur in Rhône-Alpes – genauer: in der Ardèche. Nein, er erweist sich auch schon in dieser frühen Phase seiner 1020 Kilometer langen Reise bis zum Atlantik mit einigen attraktiven Schlössern dieser Bezeichnung würdig. Und von königlichen Ausmaßen ist die Loire als längster Fluss Frankreichs sowieso.
Sie zu zähmen war seit jeher ein schwieriges Unterfangen. Über Jahrhunderte lebten die Menschen mit den in schöner Regelmäßigkeit auftretenden Überflutungen. Doch die besonders heftigen Übertritte des Flusses im 19. Jahrhundert veranlassten den Staat zum Eingreifen. Ab Roanne, dem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrums im nördlichen Teil von Loire, ist das Gewässer heute über Stauwehre in seiner Aktivität gebremst.
Wer also zumindest einen Teil der ursprünglichen Loire entdecken möchte, muss sich von Roanne aus auf den Weg nach Süden, Richtung Quelle machen. Eine Annäherung an den großen Fluss bietet sich von Norden kommend an, etwa von Charlieu.
Die Entstehung dieser Gemeinde geht auf das Ende des neunten Jahrhunderts zurück, als die Benediktiner hier das Kloster „carus locus“, später Saint Fortunat, gründeten. 1094 entstand ein Neubau, von dem heute nur noch die zweistöckige Eingangshalle übrig ist. Die Ruinen sind dennoch einen Besuch wert, auch, weil das zugehörige Museum viel über die Geschichte des Gebietes zu berichten weiß.
Wälder, Berge und eine Bisonfarm
Um dem Verkehr in Roanne aus dem Weg zu gehen, bietet sich ein Abstecher in die Monts de la Madeleine an. Wälder von bezaubernder Schönheit laden zum Wandern und Verweilen ein. Weniger wie ein Zauber, mehr wie eine Begegnung der dritten Art, mutet ein Besuch der Bisonfarm von St. Rirand an. Die Ansammlung der imposanten Tiere ist jedoch nicht als Streichelzoo gedacht, sondern hat handfeste wirtschaftliche Interessen – was sich am breiten Angebot der Wurst- und Fleischwaren ablesen lässt, die es hier zu kaufen gibt.
Hier hat die Loire Ausmaße eines Binnensees
Am Südende dieses Gebirgszuges erwartet Besucher eine erste imposante Begegnung mit dem Fluss: die Gorges de la Loire. Die Schluchten sind gut mit Wasser gefüllt, an manchen Stellen nimmt die Loire Ausmaße wie ein Binnensee an. Der Anblick lässt sich ein gutes Dutzend Kilometer genießen, bis das Château de la Roche unvermittelt auftaucht. 1260 erstmals erwähnt, thronte es ursprünglich auf einem Felsen hoch über dem Gewässer. Der vom französischen Stromkonzern EDF initiierte Staudamm von Villerest am nördlichen Ausgang der Gorges de la Loire wandelte die historischen Gemäuer zu einem Wasserschloss. Vor zwei Jahrzehnten aufwendig restauriert ist es heute ein wahrer Besuchermagnet.
Ein ebensolcher, wenn auch ganz anderer Art, lockt zehn Kilometer weiter nach St. Germain Laval: das Automusée du Forez. Es ist eine von drei Ausstellungen des gleichen Besitzers, der mit historischen Fahrzeugen auch Handel treibt. Die beiden anderen Ableger sind im Beaujolais und dem Rhônetal angesiedelt.
Nach Süden hin verändert sich die Landschaft, es öffnet sich die Tiefebene von Forez, durchtränkt mit hunderten Seen und Teichen – und in ihrer Mitte der große Fluss. Eingebettet ist die Ebene in zwei Mittelgebirgsregionen. Im Westen sind es die Ausläufer des Zentralmassifs, die bis Montbrison reichen und sich vortrefflich für eine Erkundung eignen.
Aktive Menschen machen sich dazu zu Fuß in die Wälder auf, Kulturinteressierte durchstreifen mit Vorliebe die Schlösser und Burgen und genießen das Leben in den kleinen Dörfern und Gemeinden wie etwa in Chalmazel. Einige der historischen Gemäuer bieten sich auch gleich zur Übernachtung an. Warum also nicht einmal Schlossherr und Mylady spielen? Bei einem romantischen Diner können dann auch gleich die regionalen Spezialitäten probiert werden, darunter Nussöl, dessen Herstellung in der historischen Mühle von Massons zu begutachten ist.
Montbrison – ein Blumenmeer
Auch Montbrison, die Hauptstadt des Forez, lohnt einen Besuch. Die über tausendjährige Geschichte der Stadt ist noch heute in ihren Gassen sichtbar. Dabei gibt sich der Ort gerne bunt: herausgeputzt mit hübschen Blumengewerken, die ihm zu einer Vier-Sterne-Auszeichnung als „Ville Fleurie“ verhalfen.
Den besten Überblick über die kreisrunde mittelalterliche Anlage ergibt sich von der Kirche Notre-Dame d’Espérance, einem Prachtexemplar gotischer Baukunst. Wer den Hügel, auf dem sie steht, zu Fuß erklimmt, kommt unweigerlich an einer Vielzahl kleiner Geschäfte vorbei, in denen sich Kunsthandwerker und Vermarkter regionaler Produkte eingenistet haben.
Zu diesen Spezialitäten gehören hier auch Milchprodukte, darunter der Fromage Blanc. Wie eine Mischung aus Quark mit Sahne ist er in allen erdenklichen Variationen ein Genuss: solo, mit Hönig und Walnüssen, mit roten Früchten… was auch immer einem dazu einfallen mag. Die Molkerei Laitiere du Forez kann auch besichtigt werden.
Bei St. Just-St. Rambert ist wieder das Tal der Loire erreicht – und das Ende der Tiefebene von Forez. Ein abenteuerlicher Weg führt zum Château d‘Essalois hinauf. Aber nicht die Bauruine, sondern vielmehr der erneut grandiose Anblick der Loire lohnt den Umweg.
Naturwunder Parc du Pilat
Nur noch wenige Kilometer sind es dann bis St. Etienne, der Hauptstadt des Départements Loire, wie auch bis zu seiner Südgrenze, die wie durchbrochen von dem Fluss erscheint. Jetzt trennen einen nur noch die Vororte St. Etiennes vom letzten Naturwunder, das zu besuchen bleibt: dem Parc Naturel Regional du Pilat.
Das weitläufige Naturschutzgebiet, immerhin sind es 700 Quadratkilometer Ausdehnung, verfügt über ein reichhaltiges touristisches Angebot. Seine eigentliche Besonderheit aber ist, das er die Schnittstelle von mediterranem, atlantischem und kontinentalem Klima bildet, was dazu führt, dass sich fünf verschieden ausgeprägte Landschaftsformen in ihm verteilen.
Von 140 bis auf 1 432 Meter reicht das Höhenspektrum im Park. Die Tallagen laufen aus an die Flüsse und Gier und Rhône, die von den Höhenzügen aus beeindruckend anzusehen sind. Bei guter Sicht reicht der Blick auch noch weit über die Gewässer hinaus – bis hin zu den Alpen, ins Jura sowie ins Massif Central. Am höchsten Punkt, auf dem Crêt de la Perdrix, wartet Erfrischung direkt aus einer Quelle. Und nicht weit entfernt lädt nach einer Etappe von 220 Kilometern der noch kleine Bachlauf des Gier zu einer Wanderung ein.
Wasser, Wasser, Wasser – der rote Faden von Rhône-Alpes! Das gilt auch für die Loire.
Die GPS Daten gibt es hier zum Download.
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